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Hintergründe und Neues aus der Forschung leicht verständlich erklärt
„Spurensuche Gartenschläfer“ zum besseren Schutz der bedrohten Tiere
Siebert, Ina [Ina Siebert1] - 13. Dez 2024, 08:30
In Häufigkeit und Wahrnehmung steht der zu den → Bilchen oder Schläfern (Gliridae) gehörende → Gartenschläfer (Eliomys quercinus) im Schatten des → Siebenschläfers (Glis glis). Auf dem Meldeportal → NABU-naturgucker-beobachtungen.de sind nur 693 Beobachtungen überhaupt eingetragen. Zum Vergleich: Vom Siebenschläfer gibt es 966 Beobachtungen in Deutschland, vom → Eichhörnchen (Sciurus vulgaris) als dem am zweithäufigsten gemeldeten Säugetier allein in diesem Jahr mehr als 25.000 Einträge.
Erkennbar an der „Zorro-Maske“: Gartenschläfer, (c) Wolfgang Patczowsky/NABU-naturgucker.de
Von Oktober bis April hält der Gartenschläfer Winterschlaf. Er ist ein Einzelgänger und ausschließlich nachtaktiv. Vor allem ernährt er sich von Insekten, Schnecken, kleinen Wirbeltieren und Vögeln sowie Vogeleiern. Hinzu kommen insbesondere ab dem Spätsommer Wildfrüchte. Da es in der kalten Jahreszeit an geeigneter Nahrung mangelt, zieht er sich in Baumhöhlen, Felsspalten und Mauerritzen zurück. Dabei sinkt seine Temperatur auf den Gefrierpunkt; sein Herz schlägt nur noch zweimal pro Minute.
Gartenschläfer nach seiner Rettung aus einem Keller, (c) Karin-Simone Hauth/naturgucker.de
Der Gartenschläfer kommt vor allem in struktur- und felsreichen Mittelgebirgswäldern wie im Harz, im Schwarzwald und in Bayern sowie in den Flusstälern von Rhein und Mosel vor. Als Kulturfolger lebt er insbesondere im Südwesten auch in Obstgärten, Weinbergen, Parks und Gärten. Neben ausreichendem Nahrungsangebot benötigt er vielfältige Versteckmöglichkeiten, da er mehrere Nester in Spalten und Nischen anlegt. Viel hält er sich am Boden auf; er kann jedoch sehr gut klettern und dabei sogar Hausfassaden erklimmen.
Gartenschläfer suchen auch Futterhäuschen auf, (c) Christoph Schell/NABU-naturgucker.de
Seine Bestände in ganz Europa schwinden rapide: Innerhalb von 50 Jahren ist sein Verbreitungsgebiet um die Hälfte zurückgegangen. Deutschlandweit gilt er als stark gefährdet.[1] Um seine Verbreitung systematisch zu erfassen, die Ursachen für den Rückgang zu ermitteln und ein bundesweites Schutzkonzept zu entwickeln, wurde 2018 das Projekt → „Spurensuche Gartenschläfer“ im Bundesprogramms Biologische Vielfalt aufgelegt. Beteiligt sind Naturschützer*innen und Wissenschaftler*innen vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), von der Justus-Liebig-Universität Gießen und von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. Tausende Bürger haben sich beteiligt und ihre Daten der Forschung zur Verfügung gestellt – im Juli 2024 ging die Meldung des 10.000sten Gartenschläfers ein. Alle Beobachtungen sind geprüft worden; rund zwei Drittel konnten bestätigt werden. Zusätzlich haben die BUND-Landesverbände Freiwillige betreut und koordiniert, die aktiv nach Gartenschläfern gesucht haben. Aus diesen Informationen ist der umfangreichste Datensatz entstanden, der weltweit für eine Schläferart erhoben worden ist. Im Vergleich zu historischen Vorkommen hat die Art große Areale beispielsweise in den östlichen Mittelgebirgen verloren. Vereinzelt konnte sie neue Gebiete wie die Stadt Mannheim gewinnen. Erste Schutzkonzepte für urbane Räume sind bereits erstellt worden.[2]
Gartenschläfer im Versteck, (c) Michael Nickel/NABU-naturgucker.de
Weitere wichtige Erkenntnisse hat eine Erbgutanalyse der Gartenschläfer aus ihrem europäischen Verbreitungsgebiet gebracht. Die demografische Geschichte des Genoms zeigt einen starken Rückgang der Population seit der letzten Zwischeneiszeit, was auf einen Zusammenhang zwischen kälterem Klima und dem Rückgang der Populationen vor dem Einfluss durch den Menschen hinweist. Individuen nördlich und südlich der Alpen zeigen zudem starke genetische Unterschiede; sie könnten möglicherweise zwei getrennten Arten angehören. Bedroht ist der Gartenschläfer in Europa aufgrund seiner isolierten Populationen und der geringen regionalen genetischen Vielfalt, insbesondere am östlichen Rand seines Verbreitungsgebiets. Weitere Untersuchungen können zeigen, ob lokale Anpassungen die genetische Differenzierung von Gartenschläferpopulationen vorantreiben und wie diese potenziellen Anpassungen ihre Fähigkeit zum Überleben angesichts des Klimawandels beeinflussen können. Die Bestände müssen vor dem Aussterben bewahrt werden.[3]
[2] Meinig, H.; Büchner, S.; Lang, J.; von Thaden, A.; Reiners, T.; Nowak, C., Nava, T.F.; Famira-Parcsettich, E.M.; Brünner, H.; Andersen, A.; Klocke, M.; Kupfer, J.; Nowack, C.; Friedel, U.; Giermann, A.; Krug, A.; Schreiner, J.; Steib, S. & Thiel-Bender, C. (2023): „Spurensuche Gartenschläfer“ – Ein Citizen-Science-Projekt zum Schutz einer gefährdeten Schlafmaus in Deutschland. Natur und Landschaft 98: 382-390. DOI: → 10.19217/NuL2023-08-03
[3] Paige Byerly et. al. (2024): Haplotype-resolved genome and population genomics of the threatened garden dormouse in Europe. Genome Research. DOI: → 10.1101/2024.02.21.581346