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Taschenratten brachten Leben zurück an den Mount St. Helens
Siebert, Ina [Ina Siebert1] - 22. Nov 2024, 07:35
Am 18. Mai 1980 brach der Vulkan Mount St. Helens im US-Bundesstaat Washington aus. 57 Menschen kamen dabei ums Leben. Ein zuvor waldreiches Gebiet von fast 600 Quadratkilometern wurde durch die Explosion und pyroklastische Ströme zerstört. Welche Arten dennoch überleben konnten und wie Flora und Fauna seitdem zurückkehren, wird intensiv erforscht.
Gebirgs-Taschenratte aus der gleichen Gattung wie Thomomys talpoides, (c) Rolf Theodor Berlinghaus/NABU-naturgucker.de
Insbesondere Pflanzen mit unterirdischen Knospen, durch Schnee geschützte Organismen wie Setzlinge und bodenbewohnende Tiere überlebten die Explosion. Vor allem sie waren es, die das Leben in das zerstörte Gebiet zurückbrachten. Sie schufen neue Lebensräume und ermöglichten es anderen Pflanzen und Tieren, das Gebiet ebenfalls wieder zu besiedeln. Beispielsweise kann die Lupine Lupinus lepidus Stickstoff aus der Luft aufnehmen und organische Stoffe einfangen. Dadurch sind auf den vulkanischen Ablagerungen kleine Bodentaschen entstanden, auf denen andere Pflanzen keimen können. Mit der Zeit entwickelte sich so ein komplexes Muster von Pflanzen- und Tiergemeinschaften.[1]
Mount St. Helens im September 2000, (c) Ina Siebert/NABU-naturgucker.de
Für Taschenratten (Thomomys talpoides) sind die Lupinen eine wichtige Nahrungsquelle. Diese unterirdisch lebenden Nagetiere werden auch als Ökosystemingenieure bezeichnet, weil ein einzelnes Tier in einem Monat 227 Kilogramm Erde bewegen kann. Im Jahr 1983 wurden einige Taschenratten aus benachbarten Regionen für 24 Stunden auf eingezäunten Flächen am Mount St. Helens ausgesetzt. Sechs Jahre später wurden auf diesen Flächen 40.000 Pflanzen nachgewiesen, während die angrenzenden Gebiete weiterhin karg waren.
Vegetation am Mount St. Helens im September 2000, (c) Ina Siebert/NABU-naturgucker.de
Eine Untersuchung hat nun gezeigt, dass diese Unterschiede auch langfristig und auf der mikrobiellen Ebene nachweisbar sind. Die vorübergehend ausgesetzten Taschenratten brachten Sporen, Samen und Pilze aus ihren Lebensräumen ein und sorgten beim Graben dafür, dass fruchtbarer Boden an die Oberfläche gelangte. Flächen, auf denen die Taschenratten aktiv waren, weisen heute vielfältigere Bakterien- und Pilzgemeinschaften auf als die umgebenden. Mikrobielle Biodiversität wird häufig mit einer verbesserten Ökosystemfunktion und mit ökologischen und evolutionären Triebkräften für die Reaktion terrestrischer Ökosysteme auf Umweltveränderungen in Verbindung gebracht.[2]
[2] Maltz MR, Allen MF, Phillips ML, Hernandez RR, Shulman HB, Freund L, Andrews LV, Botthoff JK and Aronson EL (2024) Microbial community structure in recovering forests of Mount St. Helens. Front. Microbiomes 3:1399416. DOI: → 10.3389/frmbi.2024.1399416