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Glyphosat und Neonikotinoide schädigen Amphibien in ihrer Entwicklung

Siebert, Ina [Ina Siebert2] - Gestern, 08:10
→ Amphibien (Amphibia) sind die stammesgeschichtlich älteste Klasse der Landwirbeltiere. Sie sind sowohl auf Wasser als auch auf Land angewiesen: Ihre Larven entwickeln sich im Wasser, und auch nach der Metamorphose zum erwachsenen Tier sind sie zumindest zeitweise an Wasser gebunden. So gut wie alle Arten benötigen ein für ihre Ansprüche geeignetes Gewässer für die Fortpflanzung, einen Landlebensraum sowie ein vor Frost geschütztes Quartier für die Überwinterung. Teils grenzen diese Lebensräume direkt aneinander, teils wandern Amphibien dazwischen über mehrere Kilometer.
Moorfrosch, Lurch des Jahres 2025, (c) Ulrich Köller/NABU-naturgucker.de
Moorfrosch, Lurch des Jahres 2025
(c) Ulrich Köller/NABU-naturgucker.de
Weltweit sind Amphibien stark bedroht, vor allem durch die Zerstörung und Zerschneidung ihrer Lebensräume, Auswirkungen des Klimawandels, Umweltgifte, Krankheiten wie den Hautpilz Batrachochytrium dendrobatidis und die große Nachfrage nach Froschschenkeln als Delikatesse. Von den in Deutschland vorkommenden 14 Froschlurch-Arten gelten laut der Roten Liste 8 als bestandsgefährdet, 2 stehen auf der Vorwarnliste.[1] An der Universität Ulm wird dazu geforscht, wie sich verbreitete Pestizide auf die Entwicklung der Amphibien auswirken. Untersucht wird der in Afrika südlich der Sahara vorkommende → Gemeine Krallenfrosch (Xenopus laevis), der in Forschung und Lehre seit Jahrzehnten als Modellorganismus genutzt wird.
Trächtiges Feuersalamander-Weibchen, (c) Bernhard Konzen/NABU-naturgucker.de
Trächtiges Feuersalamander-Weibchen
(c) Bernhard Konzen/NABU-naturgucker.de
Unter standardisierten Laborbedingungen zeigte sich, dass ein Glyphosat-basiertes Herbizid die Embryonalentwicklung des Krallenfrosches stört. Bei unterschiedlichen, subletalen Dosierungen waren die Kaulquappen im Vergleich zu unbehandelten Kaulquappen kleiner und weniger mobil. Augen, Gehirne und Schädelknochen waren ebenfalls kleiner, die Hirnnerven kürzer und die Herzfrequenz verringert. Diese Auswirkungen zeigten sich bei Konzentrationen, wie sie beispielsweise in brasilianischen Gewässern gemessen werden. Derartige Konzentrationen werden in Deutschland nicht erreicht.[2] In einer nachfolgenden Studie wurden die Auswirkungen von Glyphosat als Reinstoff untersucht. Auch hier hatten die Kaulquappen kleinere Köpfe und Körper, verkürzte Hirnnerven und kleinere Herzen. Effekte zeigten sich bereits bei der niedrigsten untersuchten Dosis von 0,1 mg/l. In natürlichen Gewässern werden diese Werte oftmals überschritten: Beispielsweise wurden in Portugal 2,46 mg/l, in China 15,21 mg/l und in Argentinien 105 mg/l gemessen. In Deutschland lag die gemessene Konzentration bei 0,0025 mg/l. Aus den Ergebnissen leiten die Forschenden ab, dass Pestizide wie Glyphosat zu den Hauptursachen des weltweiten Rückgangs von Amphibienpopulationen gehören könnten.[3]
Ähnliche negative Effekte auf die Embryonalentwicklung zeigten sich in einer weiteren Studie mit drei Neonikotinoiden, die jeweils einzeln und in unterschiedlichen Konzentrationen untersucht wurden. Sie beeinträchtigten ebenfalls Körperlänge, Augenhöhlenraum, Schädelknorpel, Nerven und Herz. Neonikotinoide schädigen damit nachweislich nicht nur Insekten, sondern auch die Embryonen von Amphibien, und das bereits in niedrigen Konzentrationen, die in natürlichen Gewässern schon gemessen worden sind. Allerdings gibt es nur wenige solcher Messungen in kleinen Gewässern, in denen sich Amphibien fortpflanzen. Risiken für andere Wirbeltiere können angesichts der schädlichen Wirkung nicht ausgeschlossen werden.[4]

[2] Flach H, Lenz A, Pfeffer S, Kühl M, Kühl SJ. Impact of glyphosate-based herbicide on early embryonic development of the amphibian Xenopus laevis. Aquat Toxicol. 2022 Mar;244:106081. DOI: → 10.1016/j.aquatox.2022.106081
[3] Hannah Flach, Petra Dietmann, Matthias Liess, Michael Kühl, Susanne J. Kühl, Glyphosate without Co-formulants affects embryonic development of the south african clawed frog Xenopus laevis, Ecotoxicology and Environmental Safety, Volume 260, 2023, 115080, ISSN 0147-6513. DOI: → 10.1016/j.ecoenv.2023.115080
[4] Hannah Flach, Carla Brendler, Martina Schöpf, Lilly Xu, Julia Schneider, Kathrin Dewald, Petra Dietmann, Michael Kühl, Susanne J. Kühl, Comparing the effects of three neonicotinoids on embryogenesis of the South African clawed frog Xenopus laevis, Current Research in Toxicology, Volume 6, 2024, 100169, ISSN 2666-027X. DOI: → 10.1016/j.crtox.2024.100169

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