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Alkohol kann Fruchtfliegen bei der Fortpflanzung helfen

Siebert, Ina [Ina Siebert2] - 4. Apr 2025, 08:05
Weltweit kommen rund 3.000 Arten von → Frucht- oder Taufliegen aus der Familie Drosophilidae vor, davon über 60 in Deutschland. Mehrheitlich sind sie sehr klein und messen etwa 2 Millimeter; es gibt jedoch auch Spezies mit bis zu 6 Millimetern. Die tagaktiven Fliegen kommen in unterschiedlichen Lebensräumen vor, angefangen von Wäldern bis zu gebüschreichen Wiesen, Streuobstwiesen, Obstplantagen, Weinbergen, Parks und Gärten.
Schwarzbäuchige Fruchtfliege auf faulendem Apfel, (c) Felix Riegel/NABU-naturgucker.de
Schwarzbäuchige Fruchtfliege auf faulendem Apfel
(c) Felix Riegel/NABU-naturgucker.de
Mehrere Arten fliegen zudem in Gebäude. Angezogen werden sie vom Geruch verrottenden, zuckerhaltigen pflanzlichen Materials – besonders beliebt ist verderbendes Obst. Erwachsene Fruchtfliegen nehmen die Flüssigkeit aus den Pflanzen auf und finden hier auch in vielen Fällen ihre Partner. Dabei hilft der Alkohol der → Schwarzbäuchigen Fruchtfliege (Drosophila macquarti oder Drosophila melanogaster) bei der Partnerwahl, wie eine aktuelle Studie eines Forschungsteams am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie zeigt. Vor allem männliche, unverpaarte Fliegen werden vom Geruch von geringen Mengen an Ethanol und Methanol angelockt. Der Kontakt damit verstärkt die Produktion der aus Fettsäuren gewonnenen Pheromone, was den Balzerfolg steigert. Zu starke Alkoholkonzentrationen stoßen die Fliegen dagegen ab – sie wären auch für sie toxisch.[1]
Schwarzbäuchige Fruchtfliege auf Federweißer, (c) Christine Laumann/NABU-naturgucker.de
Schwarzbäuchige Fruchtfliege auf Federweißer
(c) Christine Laumann/NABU-naturgucker.de
Nach der Paarung legen die Weibchen ihre Eier in das verrottende Pflanzenmaterial. Schon bald schlüpfen die Larven. Es wurde beobachtet, dass die Weibchen einiger Fruchtfliegenarten ihre Eier am liebsten in gärende Pflanzenteile legen. Eine ältere Untersuchung der amerikanischen Emory University zeigte die Vorteile: Die Larven der Fruchtfliege Drosophila melanogaster fressen Hefen, die auf verrottenden Früchten wachsen. Gegen die Fermentationsprodukte sind sie resistent. Dagegen reagieren die Larven einiger → Schlupfwespen (Ichneumonidae), die die Fruchtfliegenlarven und -puppen parasitieren, teils deutlich empfindlicher auf Ethanol. Infizierte Larven suchen ethanolhaltige Nahrung und haben eine höhere Überlebensrate, wenn sie Ethanol zu sich nehmen.[2]
Schwarzbäuchige Fruchtfliegen auf Sauerteig, (c) Ursula Goenner/NABU-naturgucker.de
Schwarzbäuchige Fruchtfliegen auf Sauerteig
(c) Ursula Goenner/NABU-naturgucker.de
Diese beiden Studien sind nur ein Ausschnitt aus der umfangreichen und seit Anfang des 20. Jahrhunderts laufenden Forschung an Fruchtfliegen. Sie gehören zu den am besten untersuchten Organismen weltweit. Im Labor sind sie leicht zu halten, und sie haben eine sehr hohe Vermehrungsrate. Innerhalb eines Jahres können sich bis zu 25 Generationen entwickeln. Außerdem sind sie und ihr Erbmaterial aus 8 Chromosomen relativ leicht zu untersuchen. Obwohl sie evolutionär sehr weit von Säugetieren entfernt stehen, teilen sie viele genetische Eigenschaften. Etwa 60 Prozent der Fruchtfliegen-Gene kommen in ähnlicher Form beim Menschen vor. Von zahlreichen Genen, die Krankheiten bei Menschen verursachen, weisen Fruchtfliegen Varianten auf.[3] Viele bedeutende Forschungsergebnisse in der Genetik und der Evolutionsbiologie hängen mit der Untersuchung der Fruchtfliege zusammen. Sechs davon sind mit Nobelpreisen ausgezeichnet worden, darunter 1995 die Entdeckungen über die genetische Kontrolle der frühen Embryonalentwicklung von Edward B. Lewis, Christiane Nüsslein-Volhard und Eric F. Wieschaus.[4]

[1] Ian W. Keesey et al., Neuroecology of alcohol risk and reward: Methanol boosts pheromones and courtship success in Drosophila melanogaster. Sci. Adv.11, eadi9683 (2025). DOI: → 10.1126/sciadv.adi9683
[2] Neil F. Milan, Balint Z. Kacsoh, Todd A. Schlenke. Alcohol Consumption as Self-Medication against Blood-Borne Parasites in the Fruit Fly. Current Biology, Volume 22, Issue 6, 488 - 493. DOI: → 10.1016/j.cub.2012.01.045

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